Da blühen wir auf.
In einigen Regionen der Schweiz schmückt sie seit Jahrzehnten Häuserfassaden, ziert in leuchtenden Farben das Erscheinungsbild ganzer Dörfer und wird prämiert. Aber wird sie auch geliebt? Oder gilt sie eher als spiessig, langweilig und konservativ? Die Rede ist von der Geranie und von ihrem schweren Stand. Vor allem in der urbanen Bevölkerung schafft sie es in ihrem Eternitkistchen kaum bis auf die coolen Altstadt-Dachterrassen. Verbindet uns mit der Geranie etwa eine Hassliebe? Vielerorts geschieht ihr nämlich Unrecht. Sie wird beleidigt, missachtet und belächelt. Also bin ich heute ein wenig die Jeanne d’Arc der Geranie und rette das zarte Pflänzchen – zumindest ihr Image. Um es aber gleich vorwegzunehmen: Selber habe ich keine Geranien an meiner Fassade. Warum? Weil ich mediterrane Pflanzen liebe? Weil ich Oleander und Olivenbäumen verfallen bin? Kann sein. Aber wenn ich im Bucheggberg unterwegs bin, dann faszinieren mich Geranien am allermeisten. Es ist Zeit, die Vielfalt zu überdenken.
Wer jetzt denkt, die Geranie sei als floraler Bestseller und Inbegriff des biederen Fensterschmucks eine waschechte Schweizerin, irrt. Die Pflanze hat Migrationshintergrund. Als Exotin, die zur Schweiz gehört wie das Fondue, hat sie eine bewegte Vergangenheit. Sie kam von Südafrika nach Europa und landete im 18. Jahrhundert in botanischen Gärten. Anfang 19. Jahrhundert holten sich immer mehr städtische Patrizier diese Pflanze in den Garten und ihre Bediensteten trugen Geranienstecklinge aufs Land – wo sie bald als typischer Bauernhaus-Fassadenschmuck kaum mehr wegzudenken war. Doch Exklusivität hat die Schweiz nicht. Ein Blick über den helvetischen Tellerrand zeigt, dass sich die exotische Schönheit rund um den Globus als «Heimatpflanze» einen Namen gemacht hat: In Bayern und Österreich ebenso wie im Fernen Osten und in Südamerika. Cool, die Geranie kann also gut mit Olivenbäumen und Oleander mithalten. Das nenne ich bunte Vielfalt. Bekennten wir also Farbe im Garten und für den Pride Monat Juni.
Simone Leitner Fischer