Weniger ist meh.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Der überquellende Kleiderschrank, der aus der Mode gekommen ist? Die Küche voller ungenutzter Küchengeräte, die verschwenderisch viel Platz einnehmen? Die Bibliothek mit längst vergessenen Bestsellern? Oder das Büro voller Akten und Dokumenten, die Staub angesetzt haben? Keine Frage, wir leben im Überfluss. Aber in einer Welt, in der «mehr ist mehr» das ungeschriebene Gesetz ist, klingt der Ruf nach Minimalismus fast schon revolutionär. Ich jedenfalls habe es gewagt und mein Büro rigoros entrümpelt, den Ballast der letzten Jahrzehnte abgeworfen. Ich habe mich durch 20 Jahre Geschichte gewühlt, geschmunzelt, entsorgt – und natürlich ein paar Erinnerungen gerettet. Man könnte jetzt meinen, Minimalismus sei die Lösung. Doch der Teufel steckt im Detail – oder in meinem Fall, in den leeren Schubladen. Denn beim Ausmisten wird das Sortieren zur sportlichen Höchstleistung und Stauraum zur goldenen Trophäe. Wer Platz hat, ist gut – oder zumindest die Königin des Verzichts.

Ist Minimalismus also die Kunst, das Leben zu entrümpeln? Wohl kaum, das denke ich nicht. Denn das Streben nach Minimalismus kann schnell zu maximalem Stress führen. Hat man wirklich genug losgelassen? Muss da nicht noch mehr weg? Und irgendwann steht man vor der Frage: Bin ich jetzt minimalistisch oder einfach nur planlos? Wie heisst es so schön: Am Ende passt auch das grösste Chaos in eine Kiste. Ausmisten klingt zwar verlockend, zum Spa-Treatment für die Seele wird es aber nicht – das ist Quatsch. Dinge, die weg müssen, häufen sich genauso an wie die, die bleiben dürfen. Wie alte Freundschaftsbücher. Oder meine uralten Artikel über den TV-Klassiker «Sex and the City», die weiterhin in irgendeiner Schublade schlummern. Minimalismus ist nicht das blinde Wegwerfen, sondern das bewusste Entscheiden: Was bringt noch Freude? Denn am Ende ist es nicht der Mangel, der den Minimalisten ausmacht, sondern die Fülle – an Klarheit und Platz – bei mir im Büro. Neues steht doch schon in den Startlöchern.

Simone Leitner Fischer