Tanzen Sie auf dünnem Eis!
Der Morgen begann mit einem Knall. Mit einem Rutsch und einem heftigen Aufprall. Eisregen hatte die Strassen in eine spiegelglatte Katastrophenzone verwandelt. Völlig überraschend kam die Eiszeit aber nicht. Wetterexperten hatten auf allen erdenklichen Kanälen vor Blitzregen, Glatteis und Rutschgefahr gewarnt. Trotzdem machte ich mich an besagtem Morgen guten Mutes und voller Balance auf den Weg. Und kam unverzüglich mit dem physikalischen Gesetz «Wer gleitet, der fällt» in Kontakt. Glatteis ist ein Meister der Tarnung: unsichtbar und doch spürbar – spätestens, wenn die Schwerkraft zuschlägt. Wissenschaftlich betrachtet entsteht Glatteis, wenn Regen auf gefrorenen Boden trifft. Die dünne Wasserschicht gefriert im Nu und bildet eine perfekte, reibungslose Fläche. Eine glänzende Täuschung, die unsere biomechanischen Schwächen gnadenlos offenlegt und uns lehrt: Gefrorenes Wasser ist kein sicheres Fundament. Glauben wir, auf festem Boden zu stehen, bewegen wir uns möglicherweise schon auf dünnem Eis.
So wird Eis zum Sinnbild unseres Lebens. Es verkörpert jene heiklen Momente, in denen wir spüren, dass der nächste Schritt riskant wird. Ein falsches Wort, eine unüberlegte Antwort – und schon hört man es leise knacken. Gefahr zieht auf, vielleicht auch ein subtiler Hinweis darauf, wie schwer Worte wiegen können. Und wenn das Eis dann bricht, finden wir uns schnell in frostiger Kälte wieder. Doch genau hier liegt die Herausforderung, und es stellt sich die Frage: Vorsicht bewahren und auf Nummer sicher gehen? Oder das Risiko wagen, auch wenn das Eis dünn wird – im Wissen, dass wir fallen können? Ja! Leben bedeutet nicht nur Balance, sondern vielmehr das Aufstehen nach dem unvermeidlichen Rutschen. Denn wer das Eis bricht, dem gehört der Weg. Und selbst wenn wir stürzen, beweisen wir mit jedem Aufrappeln, dass auch die kältesten Zeiten gut überwindbar sind. Mit Mut, Entschlossenheit, einem wärmenden Lächeln und einer Tasse Tee. Denn eines ist sicher: Der Frühling 2025 kommt. Und der Sommer auch.
Simone Leitner Fischer