Bienen

Das Blütenangebot fördern und für Bienen Gutes tun.

Bereits seit Wochen sind einzelne Bienen bei warmen Temperaturen summend unterwegs. Was hat das zu bedeuten? Wie überstehen diese Insekten den aktuellen Übergang vom Winter in den Frühling mit den wechselhaften Temperaturen? Müssen wir uns um die Bienen Sorgen machen? Die Redaktion hat mit Sandra Cagnazzo, der Präsidentin des Bienenzüchterverbands des Kantons Solothurn, gesprochen und ihr ein paar Fragen gestellt.

Der Winter war dieses Jahr sehr wechselhaft, mal war es frühlingshaft warm, dann wieder sehr kalt. Wie gehen die Bienen mit diesen Temperaturschwankungen um?
Für die Honigbienen ist dies grundsätzlich kein Problem, sofern die Anzahl Bienen im Bienenvolk angemessen ist und ausreichend Futtervorräte vorhanden sind. Bei Temperaturen über 10 Grad finden kurze Ausflüge statt, bei Minustemperaturen bildet das Bienenvolk in seiner Behausung eine sogenannte Wintertraube. Im Zentrum dieser «Traube» befindet sich die Königin. Hier liegt die Temperatur bei rund 25 Grad. Die Wärme wird erzeugt, indem die Bienen mit ihrer Flügelmuskulatur zittern. Werden die Tage länger, beginnt die Königin mit der Eiablage. Für die Brutpflege ist dann eine Tem-peratur von rund 35 Grad nötig. Das braucht viel Energie und eine grössere Anzahl Bienen. Deshalb ist es wichtig, dass die Völker genügend Futterreserven haben und im vergangenen Herbst stark eingewintert wurden.

Und wie sieht es bei den Wildbienen aus?
Nebst unserer Honigbiene gibt es etwa 600 Wildbienenarten in der Schweiz. Die meisten dieser Wildbienen sind Einzelgängerinnen und bilden keine Staaten wie die Honigbienen. Ihr Nachwuchs überwintert als ausgewachsenes Insekt, als Larve oder Puppe in hohlen Pflanzenstängeln, in der Erde oder in Totholz. Die grosse Herausforderung der einzelnen Wildbienenweibchen ist es, in den Sommermonaten ausreichend Proviant für Nachkommen zu sammeln, welche dann zahlreich den Winter überstehen können. Sie benötigen einerseits Nistgelegenheiten und andererseits ein üppiges Angebot an Blüten. Das vielerorts mangelhafte Nahrungsangebot in den Sommermonaten ist für sie existenzbedrohend.

Sie sprechen vom fehlenden Blütenangebot. Ist das die Ursache des immer wieder angesprochenen Bienensterbens?
Wir Imkerinnen und Imker tun uns etwas schwer mit dem Begriff «Bienensterben». Schauen wir nämlich richtig zu den Bienenvölkern, dann überleben diese im Regelfalle gut. Fakt ist aber, dass die Natur heute weniger hergibt als vor Jahrzehnten. Deshalb kommt es zu Nahrungslücken unter dem Jahr. Sind im Laufe des Monats Mai sämtliche Wiesen im Tal gemäht, so wird es mit der Nahrung für die Bienen knapp. Die Förderung des Blütenangebots ist eine wesentliche Massnahme, um dem entgegenzuwirken.

Was kann dagegen unternommen werden? Haben Sie konkrete Vorschläge?
Die Lösung ist einfach: Über die Saison braucht es mehr blütenreiche Lebensräume. Jede Blüte zählt: einheimische Wildblumen in einem Topf auf dem Balkon, der blühende Klee im Rasen und Blumen mit offenen Blüten im Blumenbeet. Aber auch blühende Hecken sind wichtig: Die goldgelb blühenden Forsythien sind zwar schön, aber für alle Bestäuber nutzlos. Wer diese durch Kornelkirschen ersetzt, hört im zeitigen Frühjahr schon bald das Summen der Bienen. BienenSchweiz, unser Dachverband in der deutschen und rätoromanischen Schweiz, hat eine Blühflächenoffensive gestartet: www.bienen.ch/bluehflaechen. Wir Imkerinnen und Imker wollen die Schweiz zum Blühen bringen. Dafür brauchen wir die Hilfe aller. Jede und jeder kann etwas für die Bienen tun. Oft braucht es dazu nur wenig: Einfach den Garten weniger aufräumen und möglichst alles blühen lassen. Totholz oder abgestorbene Pflanzenstängel bleiben stehen, offene Bodenstellen werden geschaffen. Dies bietet den Wildbienen wertvolle Nistgelegenheiten – besser als jedes Insektenhotel aus dem Handel. Um fundiert und konkret zu lernen, was man selbst in seinem Umfeld Gutes für die Bienen tun kann, bietet BienenSchweiz auch die «Kurse Bienenschutz» an. www.bienen.ch/kurs.

Was sagen Sie denn jemandem, der in die Bienenhaltung einsteigen möchte? Macht das vor dem Hintergrund des zu knappen Blütenangebots Sinn?
Viele meinen tatsächlich, sie würden mit dem Halten von Bienen ein Problem lösen. Deshalb möchten zum Beispiel Firmen immer wieder Bienenvölker auf ihre Dächer stellen. Das ist zwar gut gemeint, aber es kann das Problem des knappen Nahrungsangebots in gewissen Gebieten sogar verschärfen. Bevor man mit dem Imkern beginnt, muss man sich einige wichtige Gedanken machen: Hat es in meiner Region noch Platz für weitere Honigbienenvölker? Gibt es ein reichliches Blütenangebot? Diese Fragen zu beantworten ist nicht einfach. Ich empfehle Interessierten deshalb, sich an den örtlichen Imkerverein zu wenden. Hinzu kommt, dass das Imkern nebst hoher Flexibilität und Zeitaufwand auch viel Wissen und Können braucht. Deshalb ist zentral, dass alle Einsteigerinnen und Einsteiger eine fachlich gute Grundaus-bildung absolvieren. Nur schon der Umgang mit der Varroamilbe ist eine grosse Herausforderung: Dieser Schädling ist seit rund 40 Jahren in allen Völkern präsent. Die Imkerschaft muss den Befall überwachen und eingreifen, wenn eine gewisse Schadschwelle überschritten ist. Bienenvölker, die mangelhaft oder gar nicht gepflegt und unterstützt werden, haben kaum Chancen, länger als zwei bis drei Jahre zu überleben. Wer Interesse an den Bienen hat, aber nicht sicher ist, ob er oder sie die Zeit in die Imkerei investieren kann, absolviert besser zuerst einen unserer Bienenschutzkurse. Dort wird auch konkret gezeigt, wie Honig- und Wildbienen aber auch andere Bestäuber unterstützt und gefördert werden können.

Zum Schluss nochmal zu den Honigbienen: Was können Sie denn über unsere Region und das vergangene Bienenjahr berichten?
Das Jahr 2021 stellte für die Bienen, aufgrund des regnerischen und kühlen Wetters, eine grosse Herausforderung dar. Um nicht zu verhungern, mussten die Völker teils früh gefüttert werden. Im Jahr 2022 sah es dann deutlich besser aus. Der Frühling bot überdurchschnittlich viele sonnige Flugtage an und dies zu einer Zeit, in der das Blütenangebot in Massen vorhanden war. So konnten Obstblüten, Löwenzahn und Raps rege beflogen werden. Die Bienen fühlten sich sichtlich wohl und entwickelten sich zu starken Völkern. Auch die Frühlingshonigernte fiel dementsprechend gut aus.

Wie haben die Bienen die grosse Trockenheit im Sommer 2022 überstanden?
Die Hitze ertragen die Bienen gut. Die Trockenheit führte aber dazu, dass die Pflanzen wenig Nektar produzierten oder das Angebot gar ganz versiegte. Typische Sommerblüher, wie zum Beispiel die Linde, gaben deshalb eher wenig her. Je nach Gebiet konnte aber ein köstlicher Waldhonig geerntet werden. Vielen Dank für das Interview.

Andrea Eggenschwiler, Redaktion AZEIGER