2000-Watt-Region-Solothurn

Das Ende des Kapitalismus?

Vergangene Woche veranstaltete die 2000-Watt-Region-Solothurn im Landhaus einen ihrer traditionellen Diskussionsanlässe, diesmal zum Thema «Glück. Ein suffizientes Leben».

Wie Co-Präsident Arjuna Adhihetty und die sehr sachkundige Moderatorin Anita Panzer ausführten, wissen wir, dass unser gegenwärtiges Wachstum nicht zukunftsverträglich ist und dass wir wahrscheinlich auch glücklicher leben könnten. Die grosse Frage bleibt, welche Massnahmen wir dafür treffen müssten.

Energie über politische Massnahmen verteilen
Für die deutsche Autorin Ulrike Herrmann («Das Ende des Kapitalismus») kann der Kapitalismus die Klimakrise nicht bewältigen. Sie attestiert dem Kapitalismus, dass er der Menschheit enorme Fortschritte ermöglichte. Jedoch bricht dieser zusammen, wenn er langfristig schrumpfen muss. Da wir heute die regenerierbaren Ressourcen der Erde so stark übernutzen, als ob wir drei Erden zur Verfügung hätten, sind Einschränkungen aber notwendig, wenn wir überleben wollen. Entscheidend ist die Energie. Die Umstellung auf erneuerbare Energie in der notwendigen Zeit sei nicht machbar, auch wenn die meisten politischen Parteien das behaupteten. Notwendig seien politische Massnahmen (ein Beispiel: Wassermangel sei in Europa absehbar, also müsse der Konsum eingeschränkt und politisch aufgeteilt werden). Als Anschauungsbeispiel zitiert Herrmann die Rationierungen der britischen Kriegswirtschaft ab 1939. Um Hitler-Deutschland widerstehen zu können, mussten die vorhandenen Ressourcen staatlich aufgeteilt werden. Die Bevölkerung musste genug zu essen haben, der Rest wurde für die Kriegswirtschaft eingesetzt. Heute müsste unser Verbrauch auf das Niveau des Jahres 1978 reduziert werden, um klimagerecht zu werden. Das ist weniger als heute, entsprach aber hierzulande bereits einem guten Lebensstandard. Für den einzelnen sind die wirkungsvollsten Massnahmen heute: Nicht mehr fliegen und den Fleischverbrauch stark einschränken.

Wachstum mässigen statt schrumpfen
Für Mathias Binswanger (Ökonom, Glücksforscher, Dozent FHNW) steht der Kapitalismus ebenfalls unter «Wachstumszwang» (sein neuestes Buch). Umfragen zeigen auch, dass sich die Bevölkerung der reichen Länder trotz Wachstum nicht mehr glücklicher fühlt. Er geht davon aus, dass Kapitalismus ohne Wachstum nicht möglich ist, und empfiehlt daher, das Wachstum zu mässigen. Das wird wie bei der Inflationsbekämpfung auch gemacht. Japan wächst seit 1990 nur noch mit 0.4 % pro Jahr. Für die Schweiz könnte das heissen, dass sie die Zuwanderung von ausländischen Firmen beschränkt.

Wachstum innen statt aussen
Für Peter Widmer, Philosoph und Zen-Lehrer, befindet sich die Menschheit in einer existenziellen Grenzsituation, die durch Ohnmacht und Hilflosigkeit geprägt ist. Er empfiehlt Konzentration auf die innere Entwicklung des Menschen, die vor allem durch mehr Offenheit gefördert werden kann.

Verzicht – klimaverträgliches Glück?
Kann ein genügsameres Leben, also mehr Suffizienz, glücklicher machen? Für die Wirtschaft wäre dies ein Problem, für den Einzelnen wahrscheinlich ein Gewinn, äusserte Mathias Binswanger sich im Podiumsgespräch dazu. Verzichtsphasen waren und sind in allen Kulturen ein Wert. Ulrike Herrmann ergänzte, dass man dort beginnen müsse, wo ein Verzicht für die Gesellschaft am wenigsten gefährlich sei – z. B. möglichst wenige Rinder halten, dies wegen des Treibhausgases Methan. Und Peter Widmer fügte an, dass Meditation zwar nach Verzicht aussehe, aber den Organismus enorm erhole. Einig waren sich alle, dass wir rasch handeln müssen, dass aber eine Lösung nur auf demokratischem Weg realisiert werden darf.

Herbert Schmid, Café Philo Solothurn
Susanne Grütter, 2000-Watt-Region-Solothurn