Eine Leiche im Keller?
Heimat – dieses tiefe Gefühl zwischen Geborgenheit, Sicherheit und Beständigkeit. Zwischen Verlässlichkeit, Klarheit und Behaglichkeit. Zu schön, um wahr zu sein? Gut möglich. Denn während wir von ländlicher Idylle träumen, boomt ein Genre, das Heimat ganz anders zeigt: der Lokalkrimi. Dort ist das Zuhause kein sentimentales Postkartenmotiv, sondern ein Ort mit Hang zum Abgrund – und mit einer Leiche im Keller, im See, im Heuschober oder unter dem Barockpflaster der Altstadt. Die Stories streifen über Panoramen, die in jedem Tourismusprospekt als Sehnsuchtslandschaft taugen. Nur um im nächsten Moment einen leblosen Körper zu zeigen. Willkommen im paradoxen Mikrokosmos der Regionalkrimis, wo das Verbrechen zum Gütesiegel der Provinz wird. Längst im Trend: Kein Dorf ohne dunkles Geheimnis, keine Kleinstadt ohne Täter, keine lokale Handwerkszunft ohne belastende Vergangenheit. Die Botschaft ist klar. Nur wer Schatten hat, ist wirklich leuchtend. Nur wer einen Abgrund auftut, ist wirklich spannend.
Dabei steht in diesen Krimis weniger der Mord im Zentrum, sondern die gesellschaftlichen Strukturen. Sie sezieren nicht nur Leichen und Verbrechen, sondern auch Wünsche und Ängste der Zuschauerinnen und Leser. Die Frage «Wer war’s?» ist oft zweitrangig. Wichtiger ist: «Was brodelt hinter der Fassade des bekannten Alltags?» Jeder Mord wird zum Vorwand, lang Verdrängtes ans Tageslicht zu holen. Ausgerechnet dort, wo unsere Wäsche im Wind flattert und unser Dorfladen nach Zopf duftet. So wird die Heimat zur Verdächtigen. Und gleichzeitig zur Bühne für Versöhnung, Schuld und Sühne. Der Regionalkrimi ist längst mehr als Unterhaltung. Er ist ein lukratives Geschäft, auf dem Bildschirm wie im Bücherregal. Aber warum konsumieren wir ihn so gierig? Vielleicht weil er das Versprechen birgt, dass am Ende alles ans Licht kommt. Apropos Spannung: Am 13. April entscheidet der zweite Wahlgang über fünf freie Sitze im Regierungsrat. Manchmal ist die Realität spannender als jeder Krimi – und weniger vorhersehbar.
Simone Leitner Fischer