Wenn der beste Freund müde wird.
Der Tag kommt, an dem sie langsamer werden. Dort, wo sie früher wild durch den Wald fegten, brauchen sie nun eine Pause. Und die Jägerinnen, die noch gestern mit Leichtigkeit das Sofa als Aussichtsturm erklommen haben, beäugen jetzt die Höhe mit einer Mischung aus Respekt und Misstrauen. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Unsere geliebten Haustiere – Hunde oder Katzen – werden älter. Das Zusammenleben verändert sich. Langsam, beinahe unmerklich wird dieser Moment für uns Tierbesitzerinnen und Tierliebhaber zu einer Zäsur. Da sitzen wir nun mit unserem besten Freund, der plötzlich müde wird und mehr Zeit auf dem weichen Teppich als auf der Jagd verbringt. Und vielleicht beginnt hier auch der Spagat: Denn wir lieben sie, unsere flauschigen, vierbeinigen Vertrauten. Oft sogar mehr, als uns lieb ist. Wir haben ihnen ja auch versprochen, sie zu begleiten und zu schützen, für immer – oder für die Zeitspanne, die uns geschenkt wird. Und dann passiert es: Aus dem «immer» wird ein «nicht mehr lange».
Wenn sie sich mit schmerzenden Hüften ungelenk bewegen und die Augen trüber werden. Wenn das Herz noch am rechten Fleck ist, aber nicht mehr einwandfrei schlägt. Dann kommt die Zeit, in der wir uns fragen müssen: Leidet unser Hund, unsere Katze? Wie viel ist Liebe und wann wird sie zur Belastung? Dieser Balanceakt zwischen Loslassen und Beschützen ist das Letzte, das uns unsere Haustiere beibringen. Das Leben mit Tieren erinnert uns daran, dass Liebe oft bedeutet, etwas nicht nur für uns zu tun, sondern auch für andere. Es ist die Kunst, zu wissen, wann die Fürsorge zu viel und das Halten zum Festhalten wird. Und klar, wir würden es am liebsten noch lange hinauszögern, würden gerne noch eine Runde drehen, noch ein paar Monate, ein paar Jahre. Aber wie heisst es so schön? Wahre Liebe lässt los, bevor das Leid beginnt. Die grosse Ironie mit Tieren? Sie lehren uns tiefe Gefühle und harte Lektionen. Eines ist sicher: Unsere Tiere lieben uns genug, um uns die ultimative Entscheidung zu überlassen.
Simone Leitner Fischer