Good News 32/25

Barock ist nicht von gestern.

Es gibt Momente, da ist alles ein bisschen drüber. Von allem ein wenig zu viel. Zu viele Schleifen, zu viel Spitze, zu viel Puder, zu viel Pathos. Klingt übertrieben? Nein! Das ist, bei Licht betrachtet, grossartig. Zumindest in Solothurn. Denn wenn sich die Stadt für ein paar Tage in den Übermut des Barock stürzt, wird aus dem Alltag ein Fest. Aus der Architektur ein Bühnenbild. Und aus der Luft ein Hauch von Parfüm, Geschichte und Ironie. Barock ist nicht nur eine Epoche, es ist ein Lebensgefühl. Ein stilvoller Kontrollverlust. Eine Welt, in der der Konjunktiv höflicher war als jede Entschuldigung, in der das Drama zur Tagesordnung gehörte und der Fächer mehr sagte als tausend Worte. In der Solothurner Altstadt steht Barock vom 9. bis 17. August im Zentrum des Geschehens. Zwischen fechtenden Herren, duftenden Bäckereien, sonoren Konzerten und stolzen Gemäuern scheint die Zeit für einen Moment gedehnt. Die Solothurner Barocktage sind wie ein kunstvoll geschnürtes Korsett: formvollendet schön.

Natürlich kann das belächelt werden: der Pomp, das Pathos, die Perücken. Aber vielleicht ist das, was übertrieben wirkt, besonders aufrichtig. Weil der Barock so üppig und pompös ist, zeigt er Emotionen ungefiltert. Ohne sich zu verstecken oder kleinzumachen. Er tut nicht so, als wäre alles nüchtern und neutral, sondern steht zu Glanz und grosser Geste. Vielleicht fasziniert uns der Barock gerade deshalb: Weil er zeigt, wie sehr sich das Menschliche nach Ausdruck sehnt. Nach Überhöhung, nach sichtbarer Freude, nach Gefühl mit Goldrand. Vielleicht ist ein bisschen Barock in Zeiten der Sachlichkeit genau das Richtige. Ein Plädoyer für Schönheit ohne Zweck. Für Genuss ohne Rechtfertigung. Für das Theater, das wir Leben nennen. Wer in diesen Tagen durch Solothurn spaziert, sieht nicht nur prachtvolle Bauten, sondern die Lust am Sein. In Szene gesetzt mit Musik, Tanz, Geschichten. Barock? Heisst nicht rückwärtsgewandt. Heisst: überbordend ins Jetzt. Denn wer immer Mass hält, verpasst das Spektakel.

Simone Leitner Fischer