Andreas Reize

Andreas Reize wird neuer Thomaskantor in Leipzig.

Als ich 2009 von Bern in den schönen Buechibärg zog, war mir Andreas Reize kein Begriff bis zu dem Tag, als ich ein Konzert mit den Solothurner Singknaben in der Kirche Messen besuchte. Aufgewachsen mit den Wiener Sängerknaben im Ohr, die meine österreichische Grossmutter vergötterte, wollte ich mir das Konzert dieses Knabenchors im Nachbardorf nicht entgehen lassen. Was ich an diesem Abend an Chorgesang zu hören bekam, hat mir die Tränen in die Augen schiessen lassen. Aber ebenso berührt und beeindruckt hatte mich der Dirigent, der nicht nur die dargebrachten Lieder ansagte, sondern mit wenigen Worten den Zuhörenden einen Einblick in das menschliche Gefüge dieses Chores mit seinem Chorleiter zu vermitteln vermochte.
Obschon Knabenchöre irgendwie aus der Zeit zu fallen scheinen, beweist Andreas Reize, dass mit neuen Formen des Vermittelns und Führens die Attraktivität erhalten bleiben kann. Hier ist anzumerken, dass Andreas Reize nicht nur ein begnadeter Chorleiter und Dirigent, sondern auch sportlich in den Triathlondisziplinen unterwegs ist. Das strenge Chortraining reichert er mit Bewegung an, was den quirligen «Jungs» sicherlich entgegenkommt. Zum Thema Singen und Bewegung hat er denn auch seine Facharbeit zur Erlangung des Sportlehrerdiploms verfasst.
Für die AZEIGER Kulturförderpreise konnten wir 2017 Thomas Reize für unsere Jury gewinnen. Er vertrat dort die Sparte Klassik, Chormusik und Komposition und hat mit seinem Wissen und Engagement aber auch mit seiner Besonnenheit, Klarheit und Wohlwollen gegenüber den jungen Kunstschaffenden, die Arbeit der Jury bereichert.
Ja nun, Solothurn wird einen Verlust verkraften müssen, Andreas Reize wurde vom Stadtrat und der beiden Geistlichen der evangelischen Thomaskirchgemeinde zu Leipzig aufgrund der Empfehlung eines Fachgremiums einstimmig zum 18. Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach ernannt. Dass ein Schweizer und erst noch ein Katholik das Rennen gemacht hat, kann in dieser reformatorischen Hochburg als Sensation bezeichnet werden. Entsprechend war auch das mediale Echo in Deutschland und natürlich auch in der Schweiz. Andreas Reize wird nun also ab Herbst 2021 in Leipzig den weltberühmten Thomanerchor leiten. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung erklärte, die Stadt erwarte von Andreas Reize neue musikalische Impulse. Man hat offenbar in Leipzig erkannt, dass Tradition im besten Fall eben nicht das hüten der Asche, sondern das weiterreichen des Feuers beinhaltet.
Doch geht Andreas Reize der Stadt Solothurn glücklicherweise nicht ganz verloren. Am Theater Biel-Solothurn TOBS wird er in der kommenden Saison Jean-Philippe Rameaus Zäis – Ballet héroique zur Aufführung bringen und auch weiterhin die Opernaufführungen im Schloss Waldegg als Musikdirektor leiten.
Wir danken Andreas Reize an dieser Stelle für sein Wirken in unserer Jury und wünsche ihm für die neue Aera viel Freude und Befriedigung. Thomaskantor in Leipzig zu werden ist mehr als ein Amt mit Geschichte, es ist eine Berufung, der Andreas Reize mit Herz, Bauch und Verstand in höchster Form nachgehen wird, dessen bin ich mir gewiss.

Maria Wüthrich, Schnottwil, Ressort Kultur des Anzeigerverbandes Bucheggberg-Wasseramt

Bildlegende
AZEIGER Kulturförderpreise 2019: Andreas Reize bei der Preisübergabe an Dominic Röthlisberger für seine Komposition und für sein Chorprojekt. Sandra Boner im Hintergrund, welche die Preisverleihung moderierte.