Wo kämen wir da hin?
Das war knapp. Ich hätte beinahe ein Gesetz missachtet und wäre in Schwierigkeiten geraten. Hätte mit Konsequenzen rechnen müssen. Was unangenehm und unnötig gewesen wäre. Hätte vielleicht sogar diese Kundenbeziehung gefährdet. Aber alles der Reihe nach: Es war kurz vor Abflug zu einer Geschäftsreise. Ich habe bemerkt, dass mir eine Online-Registrierung für die Zieldestination fehlte. Ziemlich gestresst habe ich mein Handy gezückt, das Formular gesucht – und es zum Glück auch gefunden. Nur, mittlerweile war mein Flug bereits aufgerufen, das Boarding im Gange und ich immer noch auf der Suche nach meiner Brille. Natürlich hab ich es schlussendlich geschafft, bin frohen Mutes und bewaffnet mit allen neuen und archivierten QR-Codes eingestiegen. Der Flug war wie immer: schön. Meine Gedanken: reflektierter. Braucht es all die Daten, Registrierungen und Zertifikate? Wenn wir reisen wollen, sind sie offensichtlich wichtig. Denn wo kämen wir hin, wenn alle zu Hause blieben? Richtig, nirgendwohin.
Ich besuchte auf dieser Geschäftsreise Olivenplantagen, Weinanbaugebiete, Salinen und Fischzuchten. Alle Produzenten sprachen nur von einem – von der Bio-Zertifizierung. Ich diskutierte mit Küchenchefs, mit Imkern, mit Gemüsebauern. Alle waren stolz auf ihre handgefertigten Produkte – und auf die Bio-Zertifikate. Labels sind uns heute wichtig, beziffern den Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung. Ein von uns bevorzugtes Zertifikat lässt uns für ein Olivenöl doppelt so viel ausgeben. Wir lieben Nachhaltigkeit. Auch im Alltag sind wir bewusster geworden. Wertschätzen die Produzenten, die mehr Arbeit auf sich nehmen, um unsere hohen Erwartungen zu erfüllen. Ja, es wird uns immer wichtiger, die Herkunft eines Produktes nachverfolgen zu können. Da sind wir penibel. Wenn es aber darum geht, unser eigenes Zertifikat zur Eindämmung der Pandemie zu zeigen, sind wir weniger akkurat. Ja, es ist anstrengender geworden, sich frei zu bewegen. Aber wo kämen wir hin, wenn alle zu Hause blieben? Richtig.
Simone Leitner Fischer