«Am Ende das Leben!».
Der Satz scheint paradox zu sein. Läuft nicht alles auf den Tod hinaus? Wie kann am Ende das Leben stehen? Von Zeit zu Zeit ist es heilsam, gewohnte Sätze zu ändern und die Perspektive zu wechseln.
«Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.» Das waren die letzten, öffentlichen Worte Dietrich Bonhoeffers. Der evangelische Theologe, Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hat sie einem Mitgefangenen gesagt, als er am 8. April 1945 in Schönberg im Bayerischen Wald aus der Gruppe der Gefangenen herausgeholt wurde. Bonhoeffer hatte für die Gefangenengruppe eine Andacht gehalten, die sie sehr berührt hatte. Noch am gleichen Tag wurde Bonhoeffer ins Konzentrationslager Flossenbürg gebracht und abends in einem Schnellgerichtsverfahren zum Tode verurteilt. Am Morgen danach wurde er gehängt. In diesen Tagen jährt sich die Hinrichtung Dietrich Bonhoeffers zum 80. Mal. Sein Glaube war, «ins Leben zu sterben».
Seitdem am Ostermorgen vor über 2000 Jahren das Grab Jesu leer gefunden wurde und er in den folgenden Tagen als Auferstandener seinen Jüngerinnen und Jüngern begegnete, gehört die Auferstehung, «das Sterben ins Leben hinein», zum christlichen Glauben. Die menschlichen Erfahrungen sind anders: Der Abschied von Menschen, die einem nahe standen und lieb waren, wird als «Anfang vom Ende» erlebt: Nichts ist mehr so, wie es war, die Tage und Nächte werden leer, die Lücke wird nicht mehr geschlossen.
Das ist die menschliche Perspektive. Und sie hat ihre Berechtigung. Die verheissene Auferstehung ist ein heilsamer Perspektivenwechsel, sie weitet den Horizont und lässt irdisches Leben in einem anderen Licht erscheinen.
Der grüne Keimling, der aus dem zerbrochenen Ei herauswächst, wirkt auf den ersten Blick genau so paradox wie der Satz darüber. Genau so ist Auferstehung: Durch sie wächst neues, anders gestaltetes Leben aus Zerbrochenem. Das sieht aus wie ein Wunder, nach christlichem Glauben bleibt es ein Geheimnis. Nach jedem Ende, in allem Abgestorbenen und Begrabenen bricht unerwartet neues Leben hervor. Leben bricht sich Bahn und lässt staunen, es nimmt mit in ein erfülltes, gestärktes, hoffnungsvolles Leben.
Mögen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, an den Ostertagen das Geheimnis des Lebens erfahren, auch wenn «Auferstehung» auf den ersten Blick paradox klingt.
Frohe und gesegnete Ostertage wünschen Ihnen
Im Auftrag der reformierten Bezirkssynode Solothurn
Dorothea Neubert, Pfarrerin in Aetingen-Mühledorf
Gestaltung, Bossard-Grafik, Lohn-Ammannsegg