GoodNews KW45/22

Durch dick und dünn.

Igel tun es. Fledermäuse auch. Murmeltiere sowieso. Und Siebenschläfer ziemlich exzessiv. Sie alle halten Winterschlaf. Aber vorher, da fressen sie sich Winterspeck an. So weit, so lecker. Und jetzt kommt das Entscheidende: Nach den Wintermonaten, in denen sich Murmeli und Co. vom aktiven Leben zurückziehen, sind ihre Extrapfunde weg. Das regelt die Natur. Und bei uns? Da hinkt die Natur etwas hinterher. Unser Winterspeck kommt zwar auch zuverlässig. Aber die zusätzlichen Kilos sind gekommen, um zu bleiben. Ob wir selbst schuld daran sind? Natürlich nicht! Der Hauptgrund ist evolutionär begründet. In der dunklen Jahreszeit war es früher nicht leicht, Nahrung zu finden. Und weil unser Körper vorsichtig geblieben ist, sendet er auch heute noch Esssignale, sobald die Temperaturen kühler und die Tage kürzer werden. Das Drama der heutigen Zeit: Wir finden immer und überall Nahrungsmittel. Auch nach Ladenschluss. Denn wer hat keinen Shop um die Ecke, der locker bis um 21 Uhr Leckereien anbietet? Eben.

Wie immer spielen auch unsere Hormone eine Rolle. Im Herbst und Winter gibt es weniger Tageslicht. Und Dunkelheit führt dazu, dass im menschlichen Körper mehr Melatonin, also Schlafhormone, ausgeschüttet werden. Das wiederum heisst, dass weniger Serotonin, also weniger Glückshormone, produziert werden. Logisch, dass wir kompensieren und uns glücklich essen. Es gibt also zwei Arten, den Winter zu überleben: Entweder wir essen uns ab und zu lustig und stürzen uns hemmungslos auf die Wintergerichte – oder wir fliehen in die Wärme. Die Flucht nach vorne machen uns die Vögel vor: Sie ziehen übrigens nicht in den Süden, weil es ihnen dort besser gefällt als in der Schweiz. Nein, weil es bei uns jetzt fast keine Insekten oder Samen mehr gibt – ihre Hauptnahrungsmittel. Uns hingegen fehlt es weder an gutem noch an üppigem Essen. Deshalb steigt die Laune mit jedem Bissen. Spontan fällt mir noch eine dritte Variante ein, den Winter formvollendet zu überleben: Wir legen uns einfach ein dickeres Fell zu.

Simone Leitner Fischer