GoodNews KW43/2021

Raffiniert ist er nicht.

Den Kürbis trifft keine Schuld. Er kann doch nichts dafür, dass er so nahrhaft und so günstig, so vielseitig und so orange ist. Schuld sind die, die ihn jeden Herbst exzessiv zerstückeln, zerkochen und bis in die Belanglosigkeit pürieren. Oder bis in die Unkenntlichkeit würzen. Aber nein, ich habe nichts gegen Kürbis, ganz im Gegenteil: ich liebe ihn. Und nebenbei bemerkt, hat meine Schwester das beste Rezept. Weil sie nicht unermüdlich nach der raffiniertesten Kürbissuppen-Variante sucht? Genau, weil sie den Kürbis Kürbis sein lässt. Aber diese Suppen mit überdosiertem Ingwer, Apfel, Orange, Curry oder Chili und Koriander? Als ob wir dem Kürbis eine neue Identität verpassen wollten. Wir ihn nicht so nehmen, wie er ist. Gut, er ist etwas langweilig. Aber er ist fein. Und er ist regional und er ist nachhaltig. Ich plädiere nicht für den Widerstand im Topf. Nur für einen natürlicheren Umgang mit dem Kürbis. Ein Rezept habe ich nicht, aber eine Idee: Lassen wir einfach mal etwas Raffinesse weg.

Warum ich diesen Kürbis liebe? Weil ich seit 20 Jahren in einer Bucheggberger Gemeinde lebe, in der Kürbis gross geworden ist. Mehr noch: er eine Seele bekommen hat. Hier landeten die Kürbisse schon vor langer Zeit nicht ausschliesslich im Kochtopf, sondern machten als Lifestyle-Objekte schweizweit Furore. Als Labyrinth, als Hecke, als Dekorationsmaterial, als landwirtschaftliches Kulturgut. Ich habe miterlebt wie Kürbis bio wurde und nie an Geschmack verloren hat. Heute ist er weder in der Spitzengastronomie noch in der trendig veganen Küche wegzudenken. Deshalb hat es der Kürbis nach all den Jahren verdient, so akzeptiert zu werden, wie er ist: fein, zuverlässig – und vielleicht etwas langweilig. Wenn wir in diesen Tagen Kürbisse aushöhlen, um Halloween-Fratzen zu schnitzen, dann gibts wieder vielerorts Suppe. Mit Apfel, Orange, Curry, Chili und Koriander. Oder einfach nur mit etwas Rahm, Weisswein, Salz und Pfeffer. Raffiniert wird der Kürbis dadurch nicht, aber einfach gut und authentisch.

Simone Leitner Fischer