GoodNews KW22/22

Von langer Hand.

Die Geschichte fängt gut an. Wir sitzen nach einem hektischen Tag am Laptop und surfen. Um kurz einen Blick auf die Sommerkollektion zu werfen. Nicht kaufen, nur schauen. Meistens sind diese Ausflüge auch unverfänglich und kostenneutral. Doch dann, ganz unerwartet: Schockverliebt. Von nun an fällt uns die Vorstellung schwer, ohne diesen leichten Sommermantel durch die kühlen Abende zu ziehen. Doch wir bleiben vernünftig und kaufen nicht sinnlos ein. Nein, wir wägen ab. Um dann wenig später im virtuellen Kaufhaus den Mantel in den Warenkorb zu legen. Nun heisst es abwarten. Und hoffen, dass Grösse und Haptik passen. Wenn dann die Minuten der Wahrheit gekommen sind, gleicht das Öffnen des Paketes einer Mutprobe. Ein Glücksgriff. Der Mantel passt. Was aber, wenn das Glücksgefühl nur von kurzer Dauer ist und beim Mantel die Nähte platzen oder Knöpfe abfallen? Dann sind wir zwar enttäuscht, aber nicht verzweifelt. Denn wir greifen beherzt zu Nadel und Faden. Oder nehmen die Nähmaschine zur Hand.

Wir flicken. Zwar nicht geübt, aber gekonnt. Denn Flicken ist ein wenig wie Velofahren. Das Gute: Reparieren erlebt ein regelrechtes Revival. Einst die Regel, dann die Ausnahme und heute wieder der Trend. Wenn die junge Generation nicht weiss, wie der Faden in die Nähmaschine kommt, schauen sie ein Tutorial auf YouTube und es läuft wie am Schnürchen. Reparieren spart auch Geld. Und ist nachhaltig. Schliesslich stecken in jedem Mantel, jeder Socke, jeder Waschmaschine Energie und Ressourcen. In der EU ist seit einem Jahr eine Bestimmung in Kraft, welche Herstellerinnen und Hersteller verpflichtet, während zehn Jahren bestimmte Ersatzteile und Werkzeuge für Geräte wie Waschmaschinen, Fernseher und Kühlschränke bereitzustellen. Auch die Schweiz hat für einige Produktgruppen die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparaturanleitungen übernommen. Also basteln wir mit den Kids keine Papierflugzeuge, sondern lernen Knöpfe annähen. Und sie drucken uns mit dem 3D-Drucker dann Ersatzteile für den Kühlschrank.

Simone Leitner Fischer