Kein Blendwerk.
Was waren wir wieder stilvoll. Haben Tische und Bäume dekoriert. Zeigten uns in der Küche kreativ und in Gesprächen versöhnlich. Hatten trotz Regen die Sonne im Herzen und am Skilift Geduld ohne Ende. Doch das ist Schnee von gestern. Nun hat uns der Alltag wieder. Der Restart in die Arbeitswelt ist geglückt. Die Feiertage liegen hinter uns. Halt, nicht ganz. Heute freuen wir uns am feinen Dreikönigskuchen. Eine wohltuende, kulinarische Insel, die uns die erste Arbeitswoche versüsst. Noch einmal geben wir uns einem rituellen Brauch hin. Noch einmal kommen kleine Festgefühle auf – an diesem 6. Januar, dem Nachzügler aller Weihnachtsfesttage. Ritual oder Kommerz? Der Dreikönigstag ist ein christlicher Feiertag, keine Frage. Doch der Dreikönigskuchen fristete in der Schweiz lange ein Schattendasein – bis zu einem genialen Marketingstreich: In den 1950er-Jahren wurde der Brauch durch eine aufwändige Medienkampagne des Verbands der Schweizer Bäcker und Konditormeister wiederbelebt. Sehr erfolgreich.
Es war im November 1952 als der Dreikönigskuchen an einer Medienkonferenz in der Fachschule Richemont vorgestellt – und meisterlich inszeniert, flächendeckend Infomaterial an die Bäckermeister gesandt und in Fachzeitschriften publiziert wurde. Ein Marketing-coup der Superlative. Denn beim Dreikönigskuchen handelt es sich nicht etwa um einen marginalen Brauch, sondern um einen der erfolgreichsten. Die Verbreitung und der Duft des Hefekuchens hat das Gebäck zum Schweizer Superstar gemacht. Nicht nur im Familienkreis, sondern auch in der Wirtschaft zeigt der Dreikönigskuchen eine gute Performance. Sage und schreibe 1,5 Millionen werden jährlich verkauft. Schlicht, die populärste Tagesaktion der Bäckerbranche. Ohne Wettbewerb läuft eben auch bei religiösen Ritualen nichts. Und bitte die Krönung nicht vergessen. Sie ist lecker, aber vielleicht etwas undemokratisch: Nur eine einzige Plastikfigur entscheidet wer den Thron besteigt. Und Königin wird. Oder auch König. Egal, Hauptsache fein gebacken.
Simone Leitner Fischer