Good News 08/24

Der kulinarische Röstigraben.

Immer wieder wird von ihm berichtet. Immer wieder tut er sich auf. Vor allem bei eidgenössischen Volksabstimmungen: der Röstigraben. Und in kulinarischer Hinsicht? Entwarnung. Jedenfalls nicht bei der Rösti. Einwandfrei und kalorienreich vereint das Kartoffelgericht die Feinschmecker der Deutschschweiz und der Romandie. Heute zumindest. Früher war die Rösti das typische Bauernfrühstück der Deutschschweizer. Nun aber geniesst sie das Ansehen eines gesamtschweizerischen Nationalgerichts. Also beidseits des Röstigrabens. Nur der Föderalismus hat bei der Rösti nicht Halt gemacht: Jede Region hat ihre eigene Zubereitungsart. Vor allem die Berner sind für ihre Butterrösti mit Speck bekannt. Während die einen ausschliesslich in einer gusseisernen Pfanne braten, die anderen nur mit Schweinefett oder gar mit Crème double arbeiten, setzten die meisten auf geschwell­te Kartoffeln, die am Vortag gekocht wurden. Kurz: jeder Eidgenossin und jedem Eidgenossen die eigene Rösti. So geht Demokratie in der Küche.

Eine Frage bleibt allerding noch zu beantworten: Welches ist die richtige Kartoffel für eine gute Rösti? Einig sind sich die Küchenchefs und Hobbyköchinnen nicht. Eher festkochend für die Variante mit geschwellten Kartoffeln, eher mehligkochend für die aus rohen Knollen. Die Küchengeister scheiden sich. Nur beim Fett, da sind sich alle einig: viel davon. Ach ja, wer zu den Kalorienzählerinnen oder Kalorienverweigerern gehört, sollte wohl besser nicht weiterlesen und schon gar nicht davon essen. Denn eine Rösti ist und bleibt ein Schweizer Schwergewicht. Ganz eindeutig, kein Gericht für kulinarische Erbsenzähler oder Gesundbeter. Denn die Rösti will immer nur das eine: verführerisch sein, im Mittelpunkt stehen und randabfallend auf dem grossen Teller liegen. Rösti als Beilage ist zwar möglich, aber Rösti als Hauptgericht ist besser. Kein Schweizer Küchenklassiker hat so viele schön geröstete Facetten. Und kein Schweizer Gericht beschreibt die Einheit der Schweiz besser – auch mit Röstigraben.

Simone Leitner Fischer