«Ihr werdet finden das Kind …».
(Lukasevangelium 2,12)
Wer schon einmal etwas gefunden hat, ohne gesucht zu haben, der und die kann die überraschte Freude nachempfinden, die dieses Fundstück auslösen kann: Der schon lange als «verloren» abgehakte Schlüssel fällt bei einer Aufräumaktion in die Finger und lässt jubeln; die seit dem Schulabschluss nicht mehr gesehene Kollegin steht einem bei einem Konzert plötzlich gegenüber und zaubert ein Lachen ins Gesicht; ein traumhaftes Jobangebot, das einfach so an eine herangetragen, lässt den Atem stocken… Ja, was nicht gesucht wird, bereitet beim Finden eine ganz andere Freude als das stundenlang Gesuchte und schliesslich-doch-irgendwann-Gefundene.
Mag es den Hirten auf dem Feld auch so ergangen sein, als sie – ihr Alltagsgeschäft verrichtend – die Botschaft des Engels hörten, dass jemand geboren wurde, der das Dunkel hell machen, Leid, Not und Unterdrückung beseitigen und für Frieden und Gerechtigkeit sorgen würde? «Der Engel sagte des nachts zu den Hirten auf dem Feld: Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Futterkrippe liegen» (aus Lukas 2).
Mit der Geburt des Christuskindes sollte ein Zeichen gesetzt werden und eine neue Zeitrechnung beginnen. Das Ziel war klar definiert, nicht «Friede, Freude, Eierkuchen», sondern «umfassender, tiefer Friede auf Erden unter allen Menschen» sollte durch ihn und mit ihm Wirklichkeit werden. Geboren an einem Ort, der nur für Tiere, nicht für Menschen und schon gar nicht für Neugeborene vorgesehen war. Also gänzlich unpassend und wie eine missglückte Überraschung: In einem Stall! Dort wurde die Blick- und Marschrichtung vorgegeben: Als Retter und König begegnet der Christus den Menschen auf Augenhöhe und ist ihnen in seiner Verletzlichkeit und Schwachheit nah. Angesichts der Weltlage, die durch Krieg, Klimawandel, Pandemie und damit einhergehender Angst geprägt ist, könnte man meinen, das «göttliche Navigationssystem» sei aus den Fugen geraten und steuere auf den Abgrund zu. Doch gerade auch in diese Verlorenheit, Einsamkeit, Verzweiflung und Angst hinein wurde Christus geboren: nah dabei, mitleidend, mittragend, Frieden stiftend.
Vielleicht können wir an den Weihnachtstagen 2022 das bekannte Weihnachtslied «O du fröhliche» so freudig-überrascht singen, als ob wir, ohne zu suchen das Geschenk unseres Lebens gefunden hätten. Wie heisst eine Verszeile? «Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue Dich!»
Gesegnete, frohe und findende Festtage und einen guten Start in ein erfüllendes neues Jahr wünschen Ihnen im Auftrag der reformierten Bezirkssynode Solothurn:
Dorothea Neubert, Pfarrerin in Aetingen-Mühledorf
Gestaltung, Bossard-Grafik, Lohn-Ammannsegg