88’000 Negative

Wie sich das Weltgeschehen in unserer Region spiegelte.

Zusammenhalten – geistig und in der Tat – das brachten rund 2000 Frauen, Männer und Kinder aus der Region Wasseramt und dem angrenzenden Bernbiet im September 1989 zum Ausdruck: Sie bildeten eine Menschenkette rund um den Inkwilersee und manifestierten so ihren Widerstand gegen die Pläne der SBB, wonach das Gebiet durch die Bahn-2000-Neubaustrecke Mattstetten – Rothrist zerschnitten worden wäre. Wobei man nicht grundsätzlich gegen das Vorhaben war, sondern forderte eine Untertunnelung. Mit Erfolg. Seit 2004 sausen die Züge unten durch und man realisiert kaum mehr, wo der Tunnel verläuft.

Dies ist eines von 120 Ereignissen, das im Buch «Der Kanton Solothurn im Bild 1980 – 1995; unterwegs mit Fotoreporter Alois Winiger» festgehalten ist. Er und Herausgeber André Schluchter werden es im Schlösschen Vorder-Bleichenberg in Biberist vorstellen.

Die weite Welt vor der Haustüre
Im Buch steht das Bild im Vordergrund, die Texte dazu sind bewusst kurzgehalten. Dabei geht es nicht um nostalgische Rückblicke, sondern um festzuhalten, was damals geschah und was man aus heutiger Sicht darüber weiss. Darunter sind Ereignisse aus der weiten Welt, deren Auswirkungen bis vor unsere Haustüre reichten.

Ein Beispiel: Am 22. Mai 1989 beteiligten sich auch die Solothurner Milchproduzenten am Internationalen Tag der Milch. Gemeinsam mit Politikern ermunterten sie die Bevölkerung, mehr Milch zu trinken. Doch dem Aufruf haftete ein makab­rer Beigeschmack an. Denn nur einen Monat zuvor, am 26. April 1989, hatte sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignet. Der Ausdruck «Atom-Milch» machte die Runde.

Noch ein Beispiel: Bei der Vogt-Schild AG, damals Herausgeberin der «Solothurner Zeitung», kreuzte im Mai 1991 der Botschafter der USA auf. Im Haus fragte man sich: «Wieso kommt der ausgerechnet zu uns?» – Die Antwort steht im Buch.

88’000 Negative
Das Buch ist ein Gemeinschaftswerk: Alois Winiger arbeitete von 1980 bis 1995 als Fotoreporter und anschlies­send bis zur Pensionierung 2015 als Redaktor bei der «Solothurner Zeitung». André Schluchter ist promovierter Historiker, war unter anderem Kurator des Schlosses Wald­egg sowie Redaktor und Mit­autor der Geschichte des Kantons Solothurn.

Die Idee zum Buch entstand bei der Aufarbeitung von Winigers Nega­tivarchiv mit rund 88’000 Schwarzweissaufnahmen aus der erwähnten Zeitspanne. Er hat es als Schenkung an das Staatsarchiv Solothurn übergeben und somit steht es nun der Öffentlichkeit zur Verfügung. Aus diesem Fundus haben Schluchter und Winiger 160 Bilder aus allen Regionen des Kantons Solothurn ausgewählt: von Rodersdorf bis Messen, von Grenchen bis Niedererlinsbach. Mit dabei sind Themen, die teilweise über Jahre hinweg die Menschen bewegten, daneben kommt aber auch Kurioses vor. Und Erinnerungen werden wach, etwa an die Brassband Mühledorf, die einst in der Schweizer Blasmusikszene zur Spitze zählte.

Blick hinter die Kulissen
Wie es kam, dass er Fotograf und Journalist wurde anstatt Priester; wie es war, in den 1980er-Jahren als Fotoreporter zu arbeiten und warum er so und nicht anders fotografierte, erzählt Alois Winiger in einem Essay. Ferner berichtet er über den Alltag in der Redaktion.

Aufnahmen: Alois Winiger, Bätterkinden
Copyright: Staatsarchiv Solothurn

Buchpräsentation
«Der Kanton Solothurn im Bild»
in Wort und mit Bildprojektion durch
Alois Winiger und André Schluchter.
Sonntag, 16. Januar 2022, 11 Uhr
Schlösschen Vorder-Bleichenberg